Wie fair und sozial sind die Klamotten in den meisten Shops? Was wissen Verkäuferinnen und Verkäufer darüber? Wir haben nachgefragt...
Wir wollten es wissen...
Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Löhne, die zum überleben nicht reichen - der Preis für billige Klamotten ist ziemlich hoch. Nur kriegen wir das eher selten mit, denn diesen Preis zahlen meist Menschen am anderen Ende der Welt. Nachdem wir uns mit dem Wert und der Bedeutung von Klamotten auseinandergesetzt haben, möchten wir als nächstes nachfragen, wie es eigentlich um die Kleidung steht, die wir in den Läden kaufen können. Wie fair und sozial ist sie eigentlich? Wissen das die Verkäuferinnen und Verkäufer? Wir haben nachgefragt.
Schlechte Sicherheits- und Arbeitsbedingungen
Immer wieder hören wir von den schrecklichen Zuständen in der Textilindustrie:
- Wir erfahren von den Hungerlöhnen, die anderswo gezahlt werden, damit die zum Beispiel in Asien und Afrika gefertigten Klamotten zu Schnäppchenpreisen in den Industrieländern verkauft werden können.
- Wir sehen in den Nachrichten ganze Fabriken die zusammengestürzt oder ausgebrannt sind, die zur Todesfalle wurden, weil es keine Notausgänge gab oder gefährliche Chemikalien verwendet wurden.
- Chemikalien, die ins Trinkwasser geraten und die Umwelt zerstören können.
- Sehen, dass die Überprüfungen an unqualifizierten Audit-Anbietern und fehlenden, einheitlichen Bewertungskriterien scheitern.
- Außerdem stoßen wir bei der Überprüfung schnell an unsere Grenzen, wenn Hersteller in Partnerfabriken produzieren lassen und Zwischenlieferanten einschalten. Die tatsächlichen Produktionsbedingungen und Lieferketten sind absolut intransparent.
- Angestachelt und getrieben durch den Konkurrenzkampf, der durch unsere Fast Fashion-Kultur entstanden ist.
(Quelle: Heinrich Böll Stiftung)
Wir fragen nach
Nun gibt es eine Reihe von Siegeln die uns helfen sollen, sozial und fair hergestellte und vertriebene Produkte als solche zu erkennen. Soviel zur Theorie. Doch in der Praxis erscheint uns das Ganze ziemlich undurchdringlich. Deswegen sind wir losgefahren und wollten von Verkäuferinnen und Verkäufern wissen, wie fair die Produkte sind, die sie in den Läden hängen haben.
Wir waren in der wohl betuchten und gut besuchten Mönckebergstraße in Hamburg und haben einige Klamottenläden besucht. Hier unsere Erfahrungen:
1. Großes, deutsches Modekaufhaus
"Ich war jetzt mal im Laden drinnen und habe nachgefragt. Die Verkäuferin war sehr freundlich, wusste allerdings nicht so genau, was für ein Label das ist, über das sie zertifiziert sind. Sie sagte aber, sämtliche eigenen Produkte seien zertifiziert. Wenn ich Genaueres wissen wolle - denn es gäbe die Labels nicht in den Klamotten selbst - möge ich auf jeden Fall die Geschäftsleitung mal anrufen und dort nachfragen. Ich bin guter Dinge und werde das auf jeden Fall mal tun."
Wir haben natürlich gleich am nächsten Tag mal nachgesehen und recherchiert: Auf der Webseite konnten wir dazu nichts finden (auch keine Rufnummer der Geschäftsleitung). Und bei einem Anruf haben wir - nach einer längeren Zeit in der Warteschleife - dass es durchaus so aussieht, dass die hauseigenen Marken zertifiziert sind, nach dem BSCI-Standard (Business Social Compliance Initiative). Als wir nachgesehen haben, haben wir gelesen, dass es sich wohl eine wirtschaftsgetriebene Plattform handelt und lediglich um eine Selbstverpflichtung. Doch immerhin: Man kann zwar kein Label in den Produkten finden, aber zumindest gibt es in dieser Richtung eine Aussage.
2. Kleiner Laden mit sehr preiswerten Artikeln
"Ich war auch eben in einem Laden, habe dort ein schönes Kleid gesehen und nachgefragt, wie fair und ökologisch es hergestellt ist. Der Verkäufer meinte, dass keines der Sachen fair hergestellt seien. Und wenn ich wissen wolle, ob sie ökologisch hergestellt worden seien, dass müsse ich die Geschäftsführung fragen. Ich solle auf der Seite das Kleid heraussuchen und dann per e-Mail die Leute anschreiben, um das herauszufinden. Labels gab es in keiner einzigen Klamotte die ich mir angeguckt habe. Besonders transparent ist das nicht."
Auch wenn sich das nicht so doll anhörte - wir wollten nicht aufgeben und haben als nächstes die Filiale eines internationalen Stores besucht, um zu erfahren, wie es dort mit fairer und sozialer Mode aussieht.
3. Internationale Shop
"Jetzt war ich mal in einem Laden, der einer größeren Kette angehört und bin von Pontius zu Pilatus geschickt worden. Keiner wusste so richtig Bescheid, bis dann irgendwann jemand in der Anprobe eingestehen musste, dass keines der Produkte fair gehandelt oder auch nur fair produziert wird. Das ist natürlich eine traurige Geschichte und so habe ich auch das von mir ausgesuchte Kleidungsstück sofort wieder weggehängt und habe gesagt, dass natürlich ein Armutszeugnis (in doppelter Hinsicht) sei."
Das klingt natürlich düster. Und wie sieht es bei den Schuhen aus?
4. Schuhladen
"Ich war jetzt mal in einem Schuhladen, weil ich bei den Recherchen gehört habe, dass in der Schuhindustrie die Umstände noch schlimmer sind, als in der Bekleidungsindustrie. Sowohl was das Ökologische, als auch was das Soziale angeht... Ich habe ein wunderschönes Paar Schuhe gefunden und habe mal gefragt, wie fair die hergestellt wurden. Und da haben mir die Verkäuferinnen gesagt, dass sie mir das grundsätzlich nicht sagen können, denn es gibt in der Tat überhaupt kein Fairtrade-Label für Schuhe. Da muss ich also noch mal im Internet nachgucken, wo man faire Schuhe herbekommen kann, wenn man darauf achten will."
Das sieht natürlich auch nicht doll aus. Aber wir haben erfahren, dass es Siegel gibt, die fair gehandelte Schuhe mit einschließen. Wobei: Schuhe scheinen ein generelles Problem zu sein. Also, da hätten wir noch weitermachen können, doch der Trend ist klar. Wir haben festgestellt, dass die meisten Shops die wir besucht haben, keinen so großen Wert darauf legen, ihre Produkte fair und sozial herzustellen. Und wenn sie es tun, konnten man das zumindest den Klamotten nicht ansehen. Und da wo wir nachgefragt haben, herrschte eher Ratlosigkeit. Deswegen wollten wir es diesmal anders machen und sind in einen Ökoshop hineingegangen und haben hier ganz gezielt nachgefragt...
5. Öko-Shop
"Ich war jetzt in einem Öko-Laden. Denn gerade eben haben wir ja fast die Krise gekriegt. Wir haben uns umgeguckt in der Einkaufsstraße - alles voller Leute - und wenn man sich bewusst macht, dass fast alle Klamotten die man dort sieht unfair hergestellt wurden und dass es darüber hinaus auch niemanden interessiert, ist das schon ein komisches Gefühl. Ich habe ebenfalls ein wunderschönes Kleid gefunden, habe die Verkäuferin gefragt und die meinte: Ja natürlich. Das ist alles fair hergestellt, Wir sind Mitglied bei der Fair Wear Foundation und hat auch gleich unter der Ladentheke auf Anhieb den Sozialbericht herausgezogen, wo alles ganz genau drin steht. Ich kann nur sagen: Super, Gott sei Dank, es gibt die Alternativen. Man muss zwar auch sagen: Hier kostet das wunderschöne Kleid auch 200 Euro, im Vergleich zu den 40 Euro von vorhin, aber wenn man mal darüber nachdenkt - der Preis ist es vielleicht auch wirklich wert."
Fazit
Was ist unser Fazit? Zunächst einmal können wir feststellen, dass es ein großes Missverhältnis gibt, wenn auf der einen Seite die Werbung sich schillernd und glitzernd präsentiert und die Produkte von den Leuten mit großem Stolz in ihren Tüten herausgeholt werden nach dem Kauf. Und man sich auf der anderen Seite anguckt, unter welch traurigen Bedingungen diese häufig hergestellt werden. Und es betrifft nicht nur Billigklamotten, sondern auch die höherwertigen und teurer verkauften Produkte sind nicht in allen Fällen so zertifiziert, dass man sagen könnte, dass sie wirklich sozial und fair hergestellt wurden.
Aktion: Nachfragen
Falls du nun auch Lust bekommen hast, bei Verkäuferinnen und Verkäufer in den Läden genauer zufragen, wie die Umstände von Produktion und Vertrieb ihrer Waren aussehen, dann mach doch auch mal diese Aktion. Oder eine andere. Und vergiss nicht, Weltretterpunkte zu zählen. So können wir zeigen, wie viel wir schon erreicht haben.
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