Wie funktioniert gute Nachbarschaft? Wie lässt sich das Miteinander stärken und ausbauen. Was lässt sich gemeinsam erreichen?
Wir haben die Tür aufgemacht und jetzt sitzen wir draußen. Und zwar haben wir die dritte große Etappe vor uns, bei der es um die Frage geht, wie wir unsere Straße verändern können. Und als allererstes gucken wir uns die Nachbarschaft an. Deswegen haben wir uns einfach mal nach draußen gesetzt und wollen kurz erzählen, was wir uns vorgenommen haben.
Was wir uns vorgenommen haben
ILONA KOGLIN: Also, ich habe mir drei Aktionen überlegt: Die erste ist ein bisschen größer. Von der träume ich aber schon einige Jahre und habe es immer vor mir hergeschoben, weil ich dachte: Oh je, das ist alles so aufwändig. Aber jetzt mach ich es! Und zwar würde ich gern in unserer Nachbarschaft eine Gruppe gründen, die sich mit öko-sozialen Themen beschäftigt. Hier für unsere Siedlung. Wir wohnen ja in einer Genossenschaftssiedlung, wo wir schon Gemeinschaftseinrichtungen haben, wie gemeinsame Flohmärkte, ein Kulturhaus, eine Zeitschrift und so weiter. Mit dieser Gruppe möchte ich mir gern Sachen überlegen, wie: Wie können wir zum Beispiel ein offizielles Tauschen und Teilen-Netzwerk einrichten? Oder was können wir gemeinsam tun, um Energie zu sparen? Oder wollen wir eine Saatgut-Tauschbörse organisieren? Oder ähnliche Themen. Ich weiß noch nicht ganz genau, aber auf jeden Fall möchte ich gerne Leute finden, die Lust haben, mit uns solche Themen anzugehen.
Das zweite ist eine Aktion, die sich Free Little Library. Hierzu gibt es auch eine globale Community. Und zwar bauen sie da so kleine Häuschen, die sehen aus wie Vogelhäuschen. Nur, dass sie eine kleine Tür haben. Und da kann man Bücher rein tun, die man nicht mehr braucht. Und andere können sich die heraus nehmen, wenn sie sie haben möchten und dann andere Bücher hinein tun. Das ist so eine kleine, öffentliche Bücherei für alle. Das möchte ich machen.
Und die dritte Aktion ist, dass ich noch mal so einen kleinen Mini-Stadtteil-Plan machen möchte. In dem man sehen kann, wo es hier lokale Einzelhändler gibt. Und was man bei den kaufen kann. Es gibt hier zum Beispiel auch einen großen Elektromarkt, aber es gibt auch einen kleinen Elektroeinzelhändler. Und das würde ich gern mal alles erkunden, aufzeichnen und dann kann man das hier ja auch mit unseren Nachbarn teilen. Wer weiß. Oder vielleicht erfahre ich von denen ja auch noch ganz tolle Tipps, was es hier so gibt.
Das sind meine drei Aktionen.
MAREK ROHDE: Ich habe nur eine Aktion, aber die ist ein bisschen größer und zwar geht es darum, ein Nachbarschaftsvideo zu machen. Wir haben hier, es ist ja eine etwas ältere Siedlung, viele ältere Nachbarn, die schon lange Zeit hier wohnen. Die wissen, wie es hier früher war, vor 50, 60 oder 70 Jahren. Die bestimmt einiges erzählen können zur Geschichte dieser Siedlung. Und das würde mich doch sehr interessieren. Ich überlege ein Video zu machen, das sich aus mehreren Einzelinterviews zusammensetzt und wenn es geht sogar den Archivar zu treffen, mit dem mal zu sprechen. Der auch schon über Jahrzehnte Bildmaterial sammelt. Das wäre für mich ganz spannend und eine tolle Aktion. So auch mal einen Blick in die Vergangenheit zu wagen und gleichzeitig mal zu gucken, in welche Richtung sich das vielleicht in der Zukunft noch entwickeln kann.
Was wir erreichen und lernen können
I K: Gerade auch im Hinblick auf die Nachbarschaft: Unsere Siedlung ist ja schon fast 100 Jahre alt. Nachbarschaft, Gemeinschaft und gegenseitiges Unterstützen und Helfen, war eigentlich hier schon immer groß geschrieben. Früher noch viel mehr als heute, hört man so von älteren Menschen und da kann ich mir vorstellen, dass es eine gute Gelegenheit ist, die mal zu fragen, was eine gute Nachbarschaft ausmacht. Was man dafür tun kann und ob sie für und alle anderen auch Tipps haben dazu.
Ich kann mich noch erinnern, unsere Nachbarin früher war auch schon ganz alt. Und die hat uns von früher erzählt und das fanden wir auch heute ganz spannend. Was sie so in den Gärten gemacht haben und so. Dann kann man einiges lernen und wieder aneignen.
M R: Ja, auch wie sich Nachbarschaften verändern.
Ich persönlich bin zwar etwas zweigeteilt, weil ich weiß - und jetzt haben wir ja so eine neuralgische Linie überschritten, wo es wirklich darum geht, sich auch mit anderen so zu organisieren. Das ist nicht immer ein einfacher Akt, muss ich sagen. Das kenne ich auch aus älteren Projekten, die ich gemacht habe. Mal gucken, wie es hier ist. Aber, das ist eben auch der Teil der Expedition, wo es denn richtig spannend wird. Von nun an wird es ja immer öffentlicher, immer größer und es interessant sich anzugucken, ob es Möglichkeiten gibt, sich zu organisieren. Und auch, was andere Menschen so für Vorstellungen haben, von gemeinschaftlichen, nachbarschaftlichen Wohnen.
Welche Zahlen uns beeindrucken
M R: Ich kann mich erinnern und es ist eine interessante Zahl: Siebzig Prozent der Deutschen verbinden mit der Nachbarschaft ein Wir-Gefühl, an vierter Stelle. Hinter Freizeitveranstaltungen, Freundeskreis und der Familie. Das heißt, so schlecht, steht sie gar nicht da. Die Nachbarschaft hat schon einen großen Stellenwert. Und Wohnort und Wohnviertel liegen bei immerhin 74 Prozent, haben eine große Bedeutung und liegen weit vorn, noch vor Region und Land.
Es gibt also ein Gespür für die Nachbarschaft und auch wenn es so ist, dass Menschen vielleicht anonym, Tür an Tür, wohnen, hat man doch zumindest einen Eindruck und vielleicht auch eine Neigung, wieder stärker miteinander zu tun zu haben. Und auch ein Bild davon, was Nachbarschaft ist.
Unsere Gespräche
I K: Ich bin ganz gespannt. Hast Du eigentlich auch schon Leute, von denen Du weißt, dass Du mit denen sprechen wirst?
M K: Ich bin ja noch am Suchen. Ich hoffe sehr, dass durch dieses Nachbarschaftsvideo einige zusammenkommen. Ich habe bereits gesprochen mit dem Christian Colombo. Das ist jemand, der gemüsegärtnert und gemeindebezogenes Gesundheitsmanagement macht. Also jemand, der bestimmt einige Experimente und Aktionen gemacht hat, die so einen nachbraschaftlichen Charakter haben. Das war der erste Gesprächspartner in dem Bereich und ich hoffe, dass noch einige dazu kommen, die sich in diesem Bereich organisieren. Die beispielsweise auch schon Projekte laufen haben, wo sich Nachbarschaften organisiert haben, um gemeinschaftlich Fragen oder auch Probleme anzugehen. Und du?
I K: Ich muss gestehen, ich weiß es noch nicht. Ich habe mich hauptsächlich erst mal mit den Aktionen beschäftigt. Wen ich befragen möchte, das weiß ich noch nicht. Es gibt ja bei uns in Hamburg die Organisation Recht auf Stadt. Die sich auch mit dem Thema "Öffentlicher Raum" beschäftigt und damit, wie wir den öffentlichen Raum um uns herum nutzen können. Das hat ja auch was mit Nachbarschaft zu tun. Parks, Straßen, Parkbänke, was auch immer um uns herum ist. Wie können wir uns das wieder aneignen? Inwiefern haben wir ein Recht darauf, oder eben auch nicht? Also das könnte ich mir vorstellen. Dass das ganz spannend ist.
Und darüber hinaus weiß ich es noch nicht, muss ich gestehen.
M R: Das wird sich entwickeln. Wir sind ja jetzt gerade erst angefangen und gucken mal, wer Lust hat in diesem Bereich. Ich kann mir vorstellen, dass wir auch mit anderen Nachbarschaftsnetzwerken sprechen, damit man sich mal anhören kann, wie die ihr gemeinsames, nachbarschaftliches Zusammenleben organisieren.
Unsere drei Fragen
Und wenn ich mir jetzt überlege, welche drei Fragen wir uns stellen. Beispielsweise jetzt in diesem Fall
1. Wann macht uns Nachbarschaft glücklich? Wie wirkt es sich auf mich persönlich aus?
2. Was macht eine Nachbarschaft sozial? Welche Auswirkungen hat es auf das Miteinander?
3. Ab wann ist Nachbarschaft umweltfreundlich? Welche ökologischen Dimensionen hat sie?
Damit haben wir wieder Fragen, die wir euch stellen. Das interessiert mich wirklich, was ihr darüber denkt.
Mach mit
I K: Und das ist natürlich auch unser Aufruf an dich: Wenn du tolle Tipps hast in Bezug auf die Nachbarschaft. Wenn du vielleicht selbst eine super Nachbarschaft hast und darüber berichten möchtest oder wenn du einen Traum hast von einem Projekt in deiner Nachbarschaft, den du noch nicht verwirklicht hast und mit anderen teilen möchtest, sprich, wenn du jegliche Art von Erfahrungen, Ideen oder Tipps in Bezug auf Nachbarschaft hast, dann melde dich bei uns. Schicke uns deine Videobotschaft, schreibe uns eine e-Mail oder hinterlasse einen Kommentar. Und wir setzen uns mit dir in Verbindung. Mal schauen, was dann passiert. 🙂
M R: Ja, wir freuen darüber.
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