Tim und Nora Sophie über Cradle to Cradle | HAUSHALT

Tim und Nora Sophie über Cradle to Cradle | HAUSHALT

Was ist Cradle to Cradle? Wo wird es umgesetzt? Wie sähe der Idealzustand einer Kreislaufwirtschaft aus? Tim Janßen (Wirtschaftswissenschaftler) und Nora Sophie Griefahn (Umweltwissenschaftlerin und Umweltingenieurin) sind die Geschäftsführer und Mitgründer vom Cradle to Cradle e.V. und geben uns Antworten.

"Cradle to Cradle, übersetzt „Von der Wiege zur Wiege“, steht für einen völlig anderen Umgang mit Ressourcen und Stoff strömen." (Cradle to Cradle e.V)

Cradle to Cradle

Tim Janßen Wir teilen Cradle to Cradle im Grunde in einen Bereich den wir "Denkschule" nennen und einen, den wir "Cradle to Cradle-Designkonzept" nennen.

Nora Sophie Griefahn: Die Denkschule bedeutet, dass wir als Menschen auf der Erde Nützlinge sein können. Dass wir als Menschen einen positiven Fußabdruck hinterlassen können. Das heißt: Nicht nur weniger schlecht sein, nicht nur vermeiden, verzichten, reduzieren, sondern uns zu überlegen: Wie können wir als Menschen einen positiven Beitrag leisten.

T J Und ganz konkret wäre es das Cradle to Cradle-Designkonzept. Wie funktioniert das? Wir teilen die Nutzung von Produkten in zwei Sphären ein. Einmal die Biosphäre und dann die Technosphäre, den biologischen und den technischen Kreislauf. Ganz konkret: Bei Cradle to Cradle betrachten wir vom Design, also vom Beginn an, wo wir die Produkte gestalten, den Nutzen und die Verwendung am Ende. Wir definieren einmal die Materialien die wir verwenden wollen. Die sollen gesund sein - für Mensch und für Umwelt... Und dann sprechen wir darüber, wo das Produkt genutzt wird. In der Biosphäre später oder in der Technosphäre.

Wenn sich also Bestandteile eines Produktes reduzieren und davon Teile in der Umwelt landen, sollten sie biologisch abbaubar sein. Wenn wir die Produkte nur nutzen - wir sprechen dann von "Gebrauchsprodukten" -  dann bleiben sie in der Technosphäre. Dann müssen wir dafür sorgen, dass wir sie in gleicher Qualität erhalten und die Produkte auch schon von Anfang an dafür machen, dass wir die Materialien am Ende der Nutzung wieder auseinander nehmen. Und daraus was Neues, Hochwertiges herstellen. Dabei ist auch noch wichtig, dass wir, wenn wir die Produkte nach Cradle to Cradle herstellen, regenerative Energien dafür verwenden. Denn wenn wir Kreisläufe schließen wollen, wenn wir Materialien im Kreislauf erhalten wollen, dann bringt es natürlich nichts auf der anderen Seite fossile Brennstoffe zur Energieherstellung zu verbrauchen.

N S G: Und der dritte Aspekt wäre, dass wir ganz vielfältige Lösungsansätze nutzen und aus der Natur lernen können. Die Vielfalt der Natur als Vorbild zu nehmen und daraus lernen, und in Partnerschaft zu überlegen, wie denn unsere vielfältigen Lösungen aussehen könnten - und diese zu feiern. Was dabei ganz wichtig ist, ist darüber immer nachzudenken, dass wir keine Produkte haben wollen, die "frei von..." etwas sind. Denn das reicht uns nicht. Es hilft uns nicht, wenn wir sagen, dass eine Chemikalie die toxisch war nicht mehr da drinnen ist und dafür ist eine andere, die noch viel giftiger ist, in dem Produkt enthalten. Wir müssen positiv definieren, was in unseren Produkten drin ist. Was soll mit diesem Produkt passieren? Was sollen die Nutzungsszenarien für dieses Produkt sein? Und ganz klar definieren, was wir wollen und nicht, was wir nicht wollen.

Cradle to Cradle-Produkte

N S G: Es gibt zu Cradle to Cradle auch eine Produktzertifizierung. Und in dieser Zertifizierung sind schon über 3000 Produkte zertifiziert worden! Aber daneben gibt es natürlich auch noch sehr viele Produkte, die dem Cradle to Cradle-Design entsprechen, die nicht zertifiziert sind. Ganz wichtig dabei ist zu definieren: Was wollen wir? Wie eben schon erwähnt: Was ist das Ziel, wo es hingehen soll? Und da kann man - wenn man definiert was in dem Produkt drin ist und transparent zeigt, was dieses Produkt ist - auch zeigen: Das ist Cradle to Cradle, weil es gesund für den Menschen ist, weil es in Kreisläufe gehen kann, weil wir uns ganz genau die und die Gedanken dazu gemacht haben. Und da gibt es schon einige Produkte, die danach gestaltet sind. Im Baubereich oder im Textilbereich.

Tim Janßen und Nora Sophie Griefahn vom Cradle to Cradle e.V.

Im Handel die richtigen Fragen stellen!

T J: Wir als gemeinnützige Organisation versuchen mit dem Menschen erst mal die richtigen Fragen zu stellen. Das heißt, im Geschäft zu fragen: Womit wurde dieses Produkt hergestellt? Ist das gesund für mich, wenn ich es verwende? Und was passiert eigentlich danach damit? Wird das zu Abfall oder kann mit den Materialien etwas Nützliches angefangen werden? Das ist aus unserer Sicht einmal eine zentrale Frage, die jeder an jeder Stelle, wenn er oder sie etwas kauft erst mal stellen kann. Dazu gibt es aber eben auch die Möglichkeit, anhand eines Labels zu erkennen, ob ein Produkt konkret Cradle to Cradle-zertifiziert ist. Daran kann man Produkte erkennen im Handel.

N S G: Und dafür muss man auch kein Experte sein, sondern man kann die richtigen Fragen stellen. Man kann fragen: ist dieser Stuhl, den ich hier habe, dafür gemacht in meiner Wohnung zu stehen oder gast der aus? Man kann genau diese Fragen stellen. Es geht darum, und das ist es auch, was wir uns als Aufgabe gemacht haben, zu lernen, wie man die richtigen Fragen stellt und diese dann auch immer wieder anzubringen. Und damit dann auch eine Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass es eine Veränderung braucht und das die Produkte anders sein können.

Unsere Vision

T J: Der ideale Zustand, was wir als unsere Vision definiert haben, ist das worüber wir reden, was für viele die das Thema Cradle to Cradle kennen schon selbstverständlich geworden ist und wo die sagen: Mir ist das klar. Das sollte gar nicht anders sein. Die Dinge sollten nicht Müll werden. Dinge sollten nicht unnütz werden, sondern wir brauchen die Kreisläufe und brauchen gesunde Materialien. Aber es gibt viele, die das für sich noch nicht durchdrungen haben. Das noch nicht diskutiert haben. Und in unserer Vision ist das so selbstverständlich, dass diese für uns eigentlich rudimentären Prinzipien zu sagen: "Wir schauen uns das von der Natur ab. Wir können vieles davon imitieren und in unseren Systemen ganz anders machen und dann diese Kreisläufe schaffen und gesunde Produkte in unseren Systemen haben." Dass das dann selbstverständlich ist.

Dass wir nicht mehr darüber reden, giftiges Spielzeug von den Märkten zu verbannen oder chrombelastetes Leder auszusortieren oder zurückzurufen. Das es selbstverständlich sein muss, dass wir gesunde Materialien benutzen, die alle zum Beispiel für Hautkontakt, für die Nutzung, für Innenräume gestaltet sind. Dass wir das gar nicht mehr diskutieren müssen. leider muss man sagen, wenn wir heute auf Fachkonferenzen unterwegs sind, diskutiert man dort schwerpunktmäßig über Ressourceneffizienz - weniger Material einsetzen. aber wie wir die Materialien einsetzen und welche wir einsetzen, das ist immer noch ein großes Thema. Aber wenn das mal selbstverständlich ist, wäre das unser Utopia, dass wir darüber schon nicht mehr diskutieren müssen.

N S G: Eigentlich müssten wir nur anfangen unseren Menschenverstand zu verwenden. Keiner von uns möchte in Gift leben. Keiner von uns möchte, dass die Menschen schlecht behandelt werden, die die Produkte herstellen. Und keiner von uns möchte, dass wir am Ende Müll haben. Das heißt, uns ganz klar zu überlegen: Wie macht die Natur das und davon auch zu lernen. Und uns anzugucken, wie wir das vielleicht auch machen können.

T J: Im Grunde das Konzept Müll aus den Köpfen streichen.

Jeder kann aktiv werden

T J: Was wir über die letzten Jahre für uns gelernt haben ist, dass so viel passiert und viele Menschen die wir getroffen haben sich engagieren, mit einigen wenigen Fragen die man gestellt hat. Also wenn der Gedanke einmal ins Rollen kam, haben wir ganz oft erlebt, dass Menschen gesagt haben: "Das ist doch eigentlich klar. Wir sollten das gar nicht anders machen. Warum haben wir vorher nie darüber nachgedacht, wie unsere Produkte hergestellt werden? Warum haben wir eigentlich so viel Müll in der Vergangenheit schon akzeptiert?" Ich glaube es ist für uns schon eine Erkenntnis zu sagen, dass mit so einer Bildungsarbeit ein Stein ins Rollen geraten kann.

N S G: Uns ist wichtig, dass  alle wissen, das jeder mitmachen kann. Jeder kann aktiv werden. Jeder kann privat aktiv werden, kann Fragen stellen. Jeder kann politisch aktiv werden und seine Abgeordneten vor Ort fragen. Jeder kann in seinem Beruf das Thema mit einbringen. Denn Cradle to Cradle ist ja nicht nur auf eine Nische bezogen, sondern kann eigentlich im kompletten Leben, in allen Berufen, in allen Bereichen umgesetzt und eingebracht werden. Das heißt, jeder kann aktiv werden und natürlich wünschen wir uns, dass das auch jeder wird.

Übrigens findet man den Cradle to Cradle e.V. auch im Internet: CRADLE TO CRADLE E.V.

 

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